Vor 75 Jahren wurde mit dem Grundgesetz die Grundlage für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung gelegt. Freiheit und Demokratie gelten seither als Grundpfeiler unserer Gesellschaft und geraten dennoch in der heutigen Zeit nicht nur weltweit – sondern auch in Deutschland – unter Druck. Wie resilient kann unsere Demokratie angesichts der Krisen der Gegenwart sein? Welche Freiheiten brauchen wir als demokratische Gesellschaft? Und wie bewahren wir Freiheit und Demokratie auch für die zukünftigen Generationen?
Die Herbstakademie widmet sich, wie auch das Wissenschaftsjahr 2024, dem Thema Freiheit und Demokratie. Dabei sollen die aktuellen Herausforderungen aus verschiedenen Perspektiven thematisiert und mögliche Lösungsansätze diskutiert werden.
Den Auftakt macht Prof. Dr. Ulrike Ackermann, die die Bedrohungen für Freiheit und Demokratie weltweit analysiert. Sie wirft einen kritischen Blick auf die zunehmende Polarisierung und die Vertrauenskrise innerhalb der westlichen Gesellschaften.
Prof. Dr. Ursula Münch zeigt auf, wie Krisen stabile Demokratien ins Wanken bringen können und welche Rolle dabei politische Entscheidungen und die Medienwelt spielen. Prof. Dr. Markus Kiefer stellt aus medizinscher und neurophysiologischer Sicht die Frage „Wie frei ist unser Wille?“ und welche Bedeutung haben dabei unbewusste Prozesse im Gehirn.
Die Philosophin Eva von Redecker fordert ein neues Verständnis von Freiheit, das nicht nur das Gehen, sondern auch das Bleiben einschließt, um den aktuellen globalen Herausforderungen gerecht zu werden. Dr. Sandra Kostner schließlich warnt vor der zunehmenden Politisierung und Moralisierung in der Wissenschaft, die nicht nur Konsequenzen für die Freiheit der Forschung sondern auch gesamtgesellschaftlich für die Debattenkultur haben kann.
Mit der Herbstakademie begehen wir auch 30 Jahre ZAWiW. Zu diesem Anlass spricht am Montagabend einer der führenden Erziehungswissenschaftler Deutschlands mit Schwerpunkt auf Erwachsenenbildung und Bildung in der zweiten Lebenshälfte, Prof. Dr. Bernhard Schmidt-Hertha, zu den Herausforderungen und Perspektiven des Seniorenstudiums. Und am Dienstagabend erklingt das Instrument des Jahres 2024, die Tuba, als Solistin in Klavierbegleitung in unserem Jubiläumskonzert. Herzliche Einladung!
30 Jahre ZAWiW
Die Idee des Zentrums für Allgemeine Wissenschaftliche Weiterbildung – kurz ZAWiW – geht auf eine Initiative des Ulmer Seniorenrats vor 35 Jahren zurück. In einer Studie zu den Weiterbildungsinteressen im dritten Lebensabschnitt für die Region Ulm wurde zunächst überprüft, „… ob der Wunsch der Seniorinnen und Senioren nach wissenschaftlich fundierter Weiterbildung ernst gemeint ist“ (Stadelhofer, 2001, S. 19). Die unter dem Titel „Ich hab‘ noch viel vor…!“ (Hertramph, Stadelhofer) 1991 veröffentlichte Studie zeigte nicht nur den Wunsch nach Wissenserwerb und wissenschaftlicher Vertiefung, sondern auch das Bedürfnis nach Kommunikation, sozialem Austausch und den Wunsch, eigenes Wissen weiterzugeben.
Kernaufgabe des ZAWiW ist es seither, innovative Bildungskonzepte zu entwickeln, die sich an den Bedürfnissen der Teilnehmenden orientieren und auf aktivierende Methoden setzen, in die die überwiegend älteren Teilnehmenden ihre eigenen Erfahrungen und Kompetenzen einbringen und für andere und die Gesellschaft nutzbar machen können.
Vor diesem Hintergrund wurde zunächst das Konzept der Jahreszeitenakademie entwickelt – im März 1992 fand die erste Frühjahrsakademie unter dem Titel „Das Fremde in uns und um uns“ statt -, ein Förderkreis ins Leben gerufen und schließlich 1994 das ZAWiW als zentrale Einrichtung der Universität Ulm gegründet.
Mit dem Forschenden Lernen entstand eine weitere Programmlinie am ZAWiW, in der sich Interessierte über einen längeren Zeitraum mit selbst gewählten Themen und Fragestellungen auseinandersetzen, diese mit wissenschaftlichen Methoden bearbeiten und die Ergebnisse in Form von Broschüren, Ausstellungen oder Postern präsentieren. Einige der derzeit zehn aktiven Arbeitskreise bestehen seit über 25 Jahren.
Mit der Ulmer 3-Generationen-Universität hat sich aus den Drittmittelprojekten heraus eine weitere feste Programmlinie entwickelt, bei der Kinder und Jugendliche gemeinsam mit Wissenschaftler:innen, Studierenden und ehrenamtlich engagierten SeniorConsultants in Science Camps Natur- und Technikwissenschaften entdecken.
Darüber hinaus wurden in einer Vielzahl von drittmittelfinanzierten Forschungsprojekten Modellprojekte in den Bereichen intergenerationelles Lernen, Digitalisierung und Bildung im Alter (Geragogik) entwickelt und erfolgreich umgesetzt. Viele dieser Projekte haben bundes- oder sogar europaweite Strahlkraft entwickelt.
Seit Oktober 2012 ist das ZAWiW zusammen mit dem Humboldt-Zentrum und dem Sprachenzentrum als Abteilung am neu gegründeten Department für Geisteswissenschaften der Universität Ulm angesiedelt. In diesem Zuge wurde auch das studium generale als Programmlinie dem ZAWiW zugeordnet. Seit 2016 gehört auch das Musische Zentrum (MUZ) zu den Aufgaben der Geschäftsstelle des ZAWiW.
Das ZAWiW und seine Aufgaben haben sich in den letzten 30 Jahren stetig weiterentwickelt. Derzeit besteht das Team aus neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die nicht nur in den genannten Programmlinien arbeiten, verschiedene Drittmittelprojekte durchführen (aktuell das bmbf-Verbundprojekt DiBiWohn, H2-Wandel mit der Modellregion Grüner Wasserstoff), Seminare für Studierende anbieten, sondern auch neue Wege im Bereich Bürgerwissenschaften (Citizen Science) und Wissenschaftstransfer in die Zivilgesellschaft gehen. Der Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft als gesellschaftliche Bildung wird dabei vom ZAWiW und dem Department für Geisteswissenschaften als übergreifende universitäre Aufgabe für die Zukunftsgestaltung unserer Gesellschaft verstanden.